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Die Katastrophe in der Katastrophe

 


Betrachten die betroffenen Menschen im Ahrtal ihr Leben der letzten zwei Jahre, kommt es ihnen vor, als ob sich Katastrophe an Katastrophe reiht. Das touristisch geprägte Ahrtal hat durch Corona schon besonders gelitten. Viele Existenzen waren bedroht. Dabei hängt das Schicksal von Restaurants, Hotels, Winzern und Touristikunternehmen eng zusammen. 

Neben Corona rückte in der letzten Zeit das Waldsterben zunehmend in das Bewusstsein der Menschen. Die kahlen Gerippe der Fichten mahnen schon von Weitem vor den Folgen des Klimawandels. 

Die Menschen atmeten gerade auf, da es Lockerungen gab und die Infektionszahlen zurückgingen. Die Landesgartenschau sollte nach einem Jahr Verspätung nun endlich in 2023 in Bad Neuenahr/Ahrweiler stattfinden. Wegen Corona und der überhitzten Marktlage musste der Termin um ein Jahr verschoben werden. Der Ort und die Region hatten investiert und sich herausgeputzt. Dann kam die völlig unerwartete Flutkatastrophe, die den ganzen Landstrich verwüstet hat. 

Mich erinnert die Situation an ein Computerspiel, das dir sagt, "Level geschafft" und du dich dann plötzlich im nächsten noch schwereren Level befindest.  Auch die betroffenen Menschen haben nicht nur eine Katastrophe am Laufen. Sie müssen sich um den Wiederaufbau ihres Hauses kümmern, sich um Versicherungen und Spenden bemühen, den Nachbarn helfen, ihren Arbeitgeber um Verständnis bitten und sich gegenseitig Trost spenden und Mut zusprechen. Ich war jetzt ein paar mal vor Ort und bin im engen Kontakt mit Pia und Menno. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man in dieser Situation einer geregelten Arbeit nachgehen kann. Man wühlt früh morgens in seinen Kleiderresten, wirft sich was Schickes über, watet durch den Matsch entlang der zerstörten Häuser von Rech zur Behelfsfußgängerbrücke, um auf die andere Seite der Ahr zu gelangen. Und wie kommt man von dort weg? Die Autos können ja nicht über die Ahr. Die stehen noch auf der anderen Seite. Außerdem ist es für uns nur schwer vorstellbar, aber in Rech gibt es keinen Strom und fließend Wasser und auch kein Abwasserkanalsystem mehr. Die Menschen können also ihre Anziehsachen nicht waschen - außer im Bach. Zudem muss man ja den Wiederaufbau seines Hauses managen. Es melden sich jeden Tag tolle freiwillige Helfertrupps, mit denen man zusammenarbeitet und deren Arbeit man im Haus koordiniert. Wie lange diese Situation noch andauern wird ist noch völlig unklar. Da kann man nur hoffen, dass die Arbeitgeber Verständnis haben und individuelle Lösungen finden.

Bei vielen anderen ist auch die Arbeitsstelle weggeschwemmt oder ausgespült worden. So bei Pia und Menno. Hier kümmern sich die Kinder Marijn und Mathis um den Wiederaufbau der Physiotherapiepraxis in Bad Neuenahr/Ahrweiler. Während Pia, Menno und Femke eingeschlossen in Rech schauen, wie es mit dem Wohnhaus weitergeht und auch den Nachbarn helfen. Femke hat das Problem, dass ihre Berufsschule und das Hotel weggeschwemmt worden sind. Sie macht eine Ausbildung zur Hotelfachfrau und hätte in drei Monaten Abschlussprüfung. Wie es da weitergeht steht auch noch in den Sternen. 


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