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Es werden Posts vom Juli, 2021 angezeigt.

Ein Dorf fängt von vorne an

  Wenn jegliche Infrarstruktur in einem Dorf zerstört ist und das Dorf von der Außenwelt abgeschnitten ist, stellt sich die Frage, wie sichert man das Überleben und die soziale Struktur? In Rech war es tatsächlich so, dass der Ort durch die Flutkatastrophe von der Außenwelt mehrere Tage abgeschnitten war. Die dreihundert Jahre alte Nepomuk-Brücke wurde in der Sturmflut zerstört. Helfer konnten nicht übersetzen. Eine Notversorgung gab es nur über Hubschrauber der Bundeswehr. Die Bewohner entwickelten einen erstaunlichen Zusammenhalt. In regelmäßigen Bürgerversammlungen beraten sie ihre Lage. Es war schnell klar, dass die alten Strukturen nicht mehr funktionieren würden. Man kann, auch wenn man eine Unterkunft gefunden hat, dort nicht Kochen, Duschen, Telefonieren, Waschen oder auf Klo gehen. Sie richteten sehr schnell eine gemeinschaftliche Versorgungsstation ein. Hierfür sammelten sie Konserven und Lebensmittel. Viele hatten wegen Corona ja volle Vorratskeller. Dann kam die Frage a...

Die Katastrophe in der Katastrophe

  Betrachten die betroffenen Menschen im Ahrtal ihr Leben der letzten zwei Jahre, kommt es ihnen vor, als ob sich Katastrophe an Katastrophe reiht. Das touristisch geprägte Ahrtal hat durch Corona schon besonders gelitten. Viele Existenzen waren bedroht. Dabei hängt das Schicksal von Restaurants, Hotels, Winzern und Touristikunternehmen eng zusammen.  Neben Corona rückte in der letzten Zeit das Waldsterben zunehmend in das Bewusstsein der Menschen. Die kahlen Gerippe der Fichten mahnen schon von Weitem vor den Folgen des Klimawandels.  Die Menschen atmeten gerade auf, da es Lockerungen gab und die Infektionszahlen zurückgingen. Die Landesgartenschau sollte nach einem Jahr Verspätung nun endlich in 2023 in Bad Neuenahr/Ahrweiler stattfinden. Wegen Corona und der überhitzten Marktlage musste der Termin um ein Jahr verschoben werden. Der Ort und die Region hatten investiert und sich herausgeputzt. Dann kam die völlig unerwartete Flutkatastrophe, die den ganzen Landstrich ver...

Mediale Unterstützung

Wie es für die Betroffenen in den Flutgebieten weitergeht, hängt auch von der Unterstützung ab, die sie deutschland- und weltweit erhalten. Hierfür brauchen die Betroffenen mediale Aufmerksamkeit. In Pia haben die Betroffenen eine glaubwürdige und überzeugende Botschafterin gefunden.  Am Freitag traten Pia und Femke sogar in der  Live-Sendung „Wir halten zusammen – Der ARD-Benefiz-Abend zur Flutkatastrophe“ moderiert von Ingo Zamperoni auf und berichteten, wie sie den Abend der Flutkatastrophe erlebt haben und wie sich die Situation auf die Branche der Winzer und Gastronomie an der Ahr auswirkt.  Ingo Zamperoni führte im Studio Köln Live-Gespräche mit Betroffenen, Helferinnen und Helfern, sowie Fachleuten. Auch gab es verschiedene Live-Schalten. Ziel des Senders war es, dass Menschen, die alles verloren haben, aber auch die unermüdlichen Helfer eine Stimme bekommen.  Viele Künstler traten auf, um die Spendenaktion zu unterstützen. Mit dabei waren unter...

Der erste Besuch

 Gestern, am 22. Juli waren wir das erste Mal wieder bei Pia, Menno und Femke in Rech. Hierzu habe ich ein Video gemacht.  Bislang war es kaum möglich, dorthin zu kommen. Man hätte mit dem Jeep über die Berge gemusst und den Rest durch den Weinberg wandern. Wir wollten sie so gerne mit verschiedenen Sachen versorgen. Es gibt mittlerweile eine Überfahrt mit Schlauchbooten. Das wird von der Bundeswehr organisiert. Mir fehlen irgendwie die Worte, die Situation angemessen wiederzugeben. Die Menschen sind so tapfer. Es sind so viele, die mit anpacken. Ruth und Gregor haben Fotos gemacht und ich habe hiervon ein kurzes Video erstellt. Es war ein komisches Gefühl, die Helfer zu filmen. Daher findet man die vielen Helfer nicht in dem Video. Aber es waren unglaublich viele Freiwillige, die mit Schüppen angereist sind und mit angepackt haben. Andere betreuten einen Versorgungsstand oder die Spülecke. Es gibt ja immer noch kein fließend Wasser.  Aber da waren auch unzählige Menschen...

Die Praxis in Bad Neuenahr

Die Praxis in Bad Neuenahr ist schwer beschädigt. Sie muss entkernt werden. Ich selbst war noch nie dort. Dieses Video, das uns Marijn in die WhatsApp Gruppe über den Zustand der Praxis geschickt hat, zeigt ein Bild der Verwüstung. Aber wenn man genau hinschaut, erkennt man ebenfalls, mit wieviel Geschmack Menno und Pia ihre Praxen ausgestattet haben. Da hängen noch vereinzelt moderne Lampen, da ist ein offener großzügiger Empfang zu sehen und in jedem Behandlungsraum stehen zahlreiche tolle Geräte. Man merkt, wieviel Wert sie auf eine schöne und moderne Praxisaustattung gelegt haben. In den Videos wird aber auch deutlich, dass da nichts mehr zu retten ist. Es gibt allerdings super nette, fleißige und unermüdliche Helfer, die zusammen mit Marijn und Mathis die Entkernung vornehmen. Man sieht sie auf den Bildern auch lachen, aber wie schwer muss es sein, alles abzureißen, was man mit so viel Sorgfalt aufgebaut hat. 

Das Trauma

  Rech hat es besonders stark getroffen. Dieses Video zeigt die Zerstörungswut der Überflutung. Die alte Brücke Nepomuk, die über 300 Jahre alt ist, ist eingestürzt. Die Menschen sind in Rech ohne fließend Wasser, Strom, Gas und Handyempfang und von der Außenwelt abgeschnitten. Aber das tragischste ist, dass Rech, wie jedes Dorf an der Ahr hat auch Rech Opfer zu beklagen hat.  Viele Menschen sind in den nächsten Tagen noch total im Ungewissen. Sie dürfen nicht in ihre Häuser oder das was von Ihnen übriggeblieben ist. Manche haben ihr Mobiliar und Inventar verloren. Bei manchen ist das gesamte Haus aus Stein in der Sturmflut wie eine Wellblechhütte weggerissen  worden. Wiederum andere wissen nicht, ob ihre Häuser einsturzgefährdet sind und ob sie jemals wieder zurück können. So ergeht es auch Pia und Menno. Sie wissen, einen Teil ihres Hauses müssen sie aufgeben, weil sich ein großes Erdloch neben ihrem Anbau aufgetan hat. Aber sie hoffen auch noch eine Woche später, dass ...

Der nächste Morgen

 Am nächsten Morgen zeigte sich ein Bild des Grauens. Ein Bild, was man nur aus Kriegsgebieten kennt. Mittlerweile haben wir alle die Bilder in den Medien gesehen. Sie übersteigen allerdings unsere Vorstellungskraft. Es macht uns Schwierigkeiten, die Realität hinter den Bildern zu erkennen. Wir verstehen nicht, dass Wasser eine derartige Kraft entwickeln kann, ganze Häuser mitzureißen, in sekundenschnelle im Haus meterhoch anzusteigen und eine solche Verwüstung zu hinterlassen. Wir sind bislang nur überflutete Keller gewohnt. Ich versuche mir vorzustellen, wie es ist, wenn die Menschen morgens aus ihren Notunterkünften vor die Tür gehen. Ich denke, sie sind entsetzt, schauen in das Gesicht des Nachbarn und erkennen, dass diese auch alles verloren haben. Sie wissen wahrscheinlich, dass sie es allein, aus eigener Kraft nicht schaffen werden, alles wieder aufzubauen und Hilfe brauchen. Gleichzeitig kommt die Sorge in ihnen hoch, dass es einige Nachbaren wahrscheinlich nicht gesch...

In Sicherheit

 Bei den Nachbarn  - zwar zunächst in Sicherheit - entspannte sich die Lage allerdings nicht. Pia, Menno, Marijn und Femke beobachteten das steigende Wasser und konnten auch in der Dunkelheit erkennen, dass das Wasser mit einer ungeheuren Kraft alles mitriss. Anfangs funktionierte der Handyempfang noch. Wir erhielten weitere Nachrichten von Pia, die befürchtete alles verloren zu haben. Wir versuchten ihr Mut zu machen. Im Laufe der Nacht mussten sie wieder weiter höher fliehen. 

Die Flucht

 Am späten Abend waren die van den Brekels noch wach. Sie beobachteten die Feuerwehrleute, die auf der Straße waren und ruhig und souverän an die Häuser klopften und die Menschen aufforderten, ihre Häuser zu verlassen. Pia war gerade in den Keller gegangen, als sie bemerkte, dass die Rigips Platten von den Wänden sprangen und in sekundenschnelle Wasser eindrang. Das Wasser stieg dramatisch meterhoch an. Für nichts blieb mehr Zeit. Sie mussten das Haus Hals über Kopf verlassen. Femke hatte noch nicht mal Zeit, ihr Handy mitzunehmen. Es konnte nichts Wertvolles  gesichert werden. In den mehr als 20 Jahren, die sie in dem Haus wohnten, war das Haus nie in einer solchen Gefahr. Damit haben sie nicht gerechnet - schließlich wohnen sie ein ganzes Stück von der Ahr entfernt. Sie flüchteten zu Nachbarn, die noch höher wohnen.  Schon auf dem Weg waren erste Zeichen der Verwüstung zu sehen und zu hören. Wir erhielten bald schon eine  erste WhatsApp in der Familiengruppe, dass ...

Der Nachmittag der Flutkatastrophe

 Es gab im Vorfeld Warnungen und es regnete schon seit Tagen. Doch mit dem, was auf die Menschen zukam hatte niemand gerechnet- schließlich sind sie hochwassererprobt. Der Höchststand im Jahr 2016 lag bei 3,80m. Die Anwohner brachten Gartenmöbel und Autos in Sicherheit und dachten zu der Zeit noch, ihre Keller würden wie gewohnt überflutet. Mit überfluteten Kellern haben sie Erfahrung und das hätten sie im Griff gehabt. Seit dem Nachmittag beobachteten sie die Lage. Auch die Presse berichtete vor Ort. Feuerwehrleute und Experten waren alarmiert, um die Menschen zu warnen. Am Ende sprengte die Flut jede Rekorde und lag mindestens zwei Meter über dieser Rekordmarke, wahrscheinlich aber mehr. Das lässt sich heute nicht mehr genau sagen, denn weiter gingen die Pegelwert nicht mehr. Davon aber später mehr.

Der Lucia Markt

 Jedes Jahr findet in Rech zur Vorweihnachtszeit der Lucia-Markt statt. Das ist ein ganz besonderer Weihnachtsmarkt. Der Höhepunkt ist der Umzug der schwedischen Lichterkönigin  Lucia. Dann verwandeln Pia und Menno zusammen mit ihren Freunden und Kuchenspenden ihr Kellergewölbe zu einem Café mit einem ganz besonderen Ambiente. Menno, Pia  und ihre Freunde veranstalten diese Aktion jetzt seit ungefähr 20 Jahren in ihrem Haus - unsere Kinder waren zum Teil noch nicht geboren und Oma und Opa lebten noch. Schon im letzten Jahr musste der Lucia Markt in der Vorweihnachtszeit wegen Corona abgesagt werden.  Die Einnahmen werden jedes Jahr an die Krebsstation im Kinderkrankenhaus gespendet. Sie haben mit dieser Aktion von 2001 bis 2016 - wie man auf der Homepage des Förderkreis Bonn e.V erfährt 70.700 Euro gespendet und seit dem kommen jedes Jahr über 5.000 Euro hinzu. Aber schon jetzt ist klar, den Lucia Markt in Rech wird es so in den nächsten Jahren nicht mehr geben. ...

Das Haus von Pia und Menno

 Pia und Menno haben die alte Kneipe in dem beschaulichen Rech an der Ahr liebevoll restauriert und umgebaut. Jahrelang konnten wir jeden Fortschritt bewundern. Das Esszimmer, die Küche, die Kinderzimmer, das Schlafzimmer, der Flur, die Badezimmer, die Terrasse, der Garten und dann auch die Remise. Mal wurde das Dach gemacht und mal die Fassade. Immer haben Menno und Pia geplant und mit angepackt und das Haus schließlich zu einem Juwel im Ahrtal gemacht. Viele Menschen sind aus der Region oder ganz Deutschland gekommen, um in den Weinbergen wandern und die hübschen Häuser zu bewundern. Auch ich habe meinen jährlichen Besuch aus Colorado, USA ins Ahrtal geführt und bei Pia und Menno immer tolle Gastgeber gefunden. Vielen wird jetzt bewusst, dass hier nicht nur für die Bewohner etwas Wertvolles und ein Stück Heimat verloren ist.   . 

Die Flutkatastrophe

 Mein Name ist Michaela und ich schreibe den Blog für meine Schwägerin Pia und ihre Familie. Sie sind von der Flutkatastrophe an der Ahr schwer getroffen. Ich möchte mit diesem Blog dokumentieren, wie katastrophal das Schicksal hier zugeschlagen hat. Das war kein einfaches Hochwasser, das war wie eine Apokalypse oder ein Tsunami. Menschen, denen es gut ging, haben alles verloren. Menschen sind mit ihren Häusern fortgeschwemmt worden, als wäre über Playmobilhäuser ein Eimer Wasser geschüttet worden. Ich kenne solche Bilder sonst nur aus den USA und habe immer gedacht, das läge dort an der leichten Holzbauweise. Aber hier wurden massive Steinhäuser einfach weggerissen. So viele Menschen haben ihr Leben verloren. In Dernau gab es am 20.07.2021 eine 19 minütige Schweigedauer für die 19 Opfer der Flutkatastrophe - und Dernau ist nur ein kleines Dorf. Im Ahrtal kennt jeder jeden. Jeder kennt Opfer und ist auch selbst Opfer - auch wenn man mit dem Leben davon gekommen ist. Menschen haben ...